Der Duft zum Moulton

      Der Duft zum Moulton

      Schöne Fahrräder, tolle Autos, Mode, spannende Architektur, gutes Essen, Wein und Brände, Farben und Bilder, schöne Düfte - jeden Tag prasseln unzählige Eindrücke auf uns ein. Unser Gehirn baut eine Schutzmauer auf, die uns vieles übersehen lässt, und das ist sehr gut so. Doch es ist eine Frage der Lebenskultur, sich zu entscheiden, einige dieser Sinneseindrücke bewusst wahrnehmen zu wollen. Es kommt weniger darauf an, für was man sich interessiert, sondern dass man es überhaupt tut.

      Es macht einen Unterschied, ob ich schnell zum Brötchen holen radle, oder ob ich dies mit einem besonderen Fahrrad tue. Das andere Fahrgefühl der kleinen Räder, der filigrane Rahmen - allein das reicht aus, das Fahren als etwas wahrzunehmen, das aus dem Alltäglichen herausragt. Eine Ausfahrt mit einem Moulton kann man zelebrieren, vielleicht auch mit besonderer Kleidung wie hier dem Fahrrad-Sakko von Brooks:



      Ich persönlich interessiere mich neben den Fahrrädern für die schönen Düfte. Als Vielschreiber und Moderator bin ich auf Parfumo aktiv, der Parfum-Community, wo wir uns in Kritiken und Kommentaren mit unseren Parfums auseinandersetzen. Für mich sind Düfte wie auch Fahrräder keine Nebensächlichkeiten, sondern Einladungen, ihren ganz individuellen Charakteren nachzuspüren und zu schauen, was ich damit anfangen kann.

      Ich bitte also um viel Verständnis für die Fragen: Welches Parfum zu welchem Moulton? Und: Welcher Duft zu welcher Ausfahrt?

      Leicht haben es die Bromptonauten. Ihre "World Championship" findet immer im Park von Blenheim Palace statt. So mancher Teilnehmer wird zu Fahrradhose und Sports Jacket ein paar Tropfen "Blenheim Bouquet" von Penhaligon's auflegen - ein sehr zitrisches Cologne von 1902, so sportlich, wie ein Gentleman von 1902 nur sein konnte.

      Wir haben Herbst, es ist trübe, und wenn ich durch den Wald fahre, leuchtet die Sonne nicht vom Himmel, sondern gelb, rot und braun aus dem fallenden Laub heraus. Der nasse erdige Duft, den die Natur uns jetzt bietet, findet seine Entsprechungen im Parfum: "Terre d'Hermès" mit seiner markanten, herben Erdigkeit. Etwas weiter südlich angesiedelt, bei Sonne und trockenem Herbstlaub, liegt Paloma Picassos "Minotaure", mit trocken-pudriger Herbheit. Und den Altweibersommer genoss ich mit "Eau de Pamplemousse rose" von Hermès und Il Profumos "Aventure". Die transparente, ätherische Art beider Düfte ist so klar wie die Luft im Frühherbst und lässt uns schneller und freudiger in die Pedale treten.

      Mein soeben gebraucht erstandenes Moulton APB ist British Racing Green. Was für eine Farbe! Ich denke da gar nicht so sehr an den Motorsport, zu dem ich wenig Bezug habe, sondern daran, welcher Duft wohl den gleichen Charakter, die gleiche Stimmung oder vielleicht auch die gleiche "Schwingung" aufweist. Meine Überlegung geht in zwei Richtungen: Fougère und Vetiver.

      "Wenn Gott Farnen einen Duft gegeben hätte, wäre es dieser" sagte Paul Parquet über sein Fougère Royale von 1882. Die soeben erfundene synthetische Herstellung von Coumarin machte es möglich, diesen Stoff mit Lavendel, Eichenmoos und anderem zu einem scharf-würzigen, etwas pieksigen Akkord zusammen zu fügen. Es wurde ein Erfolg, und viele Parfum-Manufakturen kopierten die Rezeptur. Der Begriff Fougère wird heute inflationär gebraucht, doch der urspüngliche Grundakkord wurde immer schon gerne von den Herstellern auf der Insel übernommen und als klassisches Herrencologne präsentiert: "1445" des schottischen Herstellers Castle Forbes ist eine hervorragende Interpretation.

      Der Fougère-Akkord weist eine eigentümliche Beziehung zu den Gerüchen von Stoff, Schafswolle und im speziellen auch Tweed auf. Bertrand Duchaufour hat dieses Verhältnis vor einigen Jahren für Penhaligon's in einem etwas opulenten Fougère herausgearbeitet: "Sartorial". Das Ensemble klassisches Fougère - klassisches Tweedsakko - klassisches Moulton Bike ist für mich sehr stimmig.

      Der zweite geruchliche Bezug zum Moulton in British Racing Green ist für mich Vetiver. Vetiver ist eine tropische Grasart, aus deren Wurzeln ein eigentümlicher grün-holzig-erdig duftender Stoff gewonnen wird. Das Öl selbst riecht rauchig-bitter; es braucht die Kunst der Parfümeure, um ihm Eleganz und eine dunkelgrüne Tiefe entlocken zu können. Vetiver hat etwas von einer Ausfahrt im Sommer, aber an einem bewölkten, regnerischen Tag. Der tiefdunkle Duft der Nadelwälder, die nasse, warme Erde öffnen die Geruchsnerven. Jede knallige Rahmen- und Parfumfarbe würde jetzt stören.

      Unter dem Namen "Vetiver" werden seit den 1950er Jahren von verschiedenen Herstellern Herrenparfums angeboten, welche diese Note ins Zentrum stellen. Das bekannteste und erfolgreichste Vetiver kommt von Guerlain und ist überall leicht erhältlich. Leider wurde die Formel im Jahr 2000 verändert, sodass es nicht mehr dem Erfolgsduft von 1961 entspricht. Viel sinnlicher ist Guerlains im Jahr 2006 nachgeschobenes "Vetiver Extreme". Den unverstelltesten und direktesten Blick auf das, was in dieser Note steckt, erhält man in dem Vetiver-Cologne der Marke Royall Lyme Bermuda. Mit ihren eher puristischen Düften steht Royall der englischen Parfumtradition näher als der französischen.

      Die Vereinigung gelingt Frédéric Haldimanns "Vétiver de Frédéric", erhältlich ausschließlich über HSE24. Haldimann ist ein Parfümeur alter Schule, sein recht komplexer Duft bringt Vetiver mit einer klassischen Fougère-Note zusammen. Ein sehr gutes Vetiver für den Sakko-Träger. Der geringe Preis und die schlichte Ausstattung sind den Erfordernissen des Homeshoppings geschuldet, spiegeln aber nicht die Qualität des Dufts wider.

      So viel für heute. Ich hoffe, ich konnte etwas Interesse wecken und hoffe auf andere Beiträge zum Thema Moulton und Duft.

      PS: Ob das wohl hält? ;)

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „Apicius“ ()